Internationale wissenschaftliche Konferenz

Berlin, 4. bis 6. Oktober 2006

4. Okt.: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

5./6. Okt.: Französische Friedrichstadtkirche am Gendarmenmarkt

 

Eine Veranstaltung

des Collegium Hungaricum Berlin,

der Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur und

des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam

 

in Zusammenarbeit mit

 

Bipolar deutsch-ungarische Kulturprojekte

Bipolar ist ein Initiativprojekt der Kulturstiftung des Bundes.

 

 

Die ungarische Revolution von 1956 markiert eine wichtige Zäsur in der ungarischen Geschichte und darüber hinaus in der deutsch-deutschen und europäischen Nachkriegsgeschichte. Neben dem 17. Juni 1953, dem „Prager Frühling“ 1968, der Gründung der unabhängigen Gewerkschaft Solidarność 1980 in Polen und den friedlichen Revolutionen 1989 gehört sie zu den wichtigsten Massenprotesten in den Ländern des Ostblocks. Ähnlich wie 1953 in der DDR und 1968 in der Tschechoslowakei wurde der ungarische Aufstand gewaltsam durch das militärische Eingreifen der Sowjetunion beendet.

Ermutigt durch das vom XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 ausgehende „Tauwetter“ und die Arbeiterdemonstrationen im polnischen Posen demonstrierten und kämpften seit dem 23. Oktober 1956 hunderttausende Menschen in Budapest und vielen weiteren Orten Ungarns für freie Wahlen, die Freilassung aller politischen Häftlinge, die Abschaffung der Zensur und den Abzug der sowjetischen Besatzungstruppen. Am 1. November stellte sich die Regierung unter Ministerpräsident Imre Nagy auf die Seite der Aufständischen und beschloss den Austritt Ungarns aus dem Warschauer Pakt und die Neutralität des Landes.

In der offiziellen Erinnerungspolitik der Ära Kádár wie auch in den anderen Ländern des Ostblocks wurden die Ereignisse von 1956 verdrängt, weitestgehend tabuisiert oder als Konterrevolution interpretiert. Gegen diese Deutung richtete sich die inoffizielle Tradierung des Aufstandes innerhalb der ungarischen Emigration und der Opposition im Land. Nach dem Umbruch von 1989/90 wurden die Ereignisse des Jahres 1956 in Ungarn zum Gegenstand heftiger innenpolitischer Kontroversen, die teilweise bis in die Gegenwart andauern.

Die internationale Konferenz „Die ungarische Revolution 1956: Kontext – Wirkung – Mythos“ stellt den Stand der Forschung und insbesondere neuere Forschungsergebnisse zur Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte dieses Schlüsselereignisses der ungarischen Geschichte vor. Die traditionelle politikgeschichtliche Perspektive auf die Ereignisse wird durch neuere sozial- und kulturgeschichtliche Ansätze erweitert. In einer transnationalen Perspektive werden die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Krisensituationen im Ostblock in den Blick genommen. Die Tagung nimmt den 50. Jahrestag des Aufstandes zum Anlass, um nach dessen Stellenwert in der europäischen Erinnerungslandschaft zu fragen.

 

THE HUNGARIAN REVOLUTION OF 1956

Context – Impact – Legend

 

The Hungarian Revolution of 1956 marks a decisive caesura in Hungarian history, and moreover in German and European postwar history. Together with 17 June 1953, the “Prague Spring” of 1968, the founding of the independent labor union Solidarnosc in Poland, and the peaceful revolutions of 1989 it is one of the most important events of mass protests in the countries of the Eastern Block. Like 1953 in the GDR and 1968 in Czechoslovakia the Hungarian uprising was violently suppressed by Soviet military intervention.

From 23 October 1956 on hundreds of thousands of people in Budapest and other places in Hungary rallied and demanded free elections, the release of all political prisoners, the abolition of censorship and the withdrawal of the Soviet occupation troops. They had been encouraged by the period of „thaw“, coming from the XX. congress of the Soviet communist party in February 1956, and by Polish workers’ protests in Poznán. On the first of November the government of Prime Minister Imre Nagy took sides with the protesters, decided the separation from the Warszaw Pact and proclaimed Hungarian neutrality.

Just like in other states of the Eastern Block, official public memory of the Kádár era repressed the events of 1956, made them a taboo subject, or interpreted them as counter-revolution. Among Hungarian emigrants and the opposition within the country, however, the uprising was handed down quite differently. As a result, after 1989/90 the events of 1956 have been subject to intense domestic controversy, partly until present.

The international conference “The Hungarian Revolution of 1956: Context – Impact – Legend” presents recent scholarship, especially newer findings on the historical meaning and reception of this key event of Hungarian history. The traditional policy-oriented historical perspective will be complemented with newer social and cultural historical approaches. Further, the interactions of the different theatres of crisis in the eastern block will be examined in a transnational perspective. On the occasion of the 50th anniversary of the Hungarian uprising, this conference will try to assess its standing in todays European memory culture.

Konferenzflyer

 

Konferenzprogramm

 

Mittwoch, 4. Oktober 2006, 19.00

 

Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften,

Jägerstr. 22/23 (Ecke Gendarmenmarkt), 10117 Berlin, Leibniz-Saal

 

19.00

Begrüßung

Prof. Dr. Martin Sabrow, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam

Begrüßung durch Prof. Dr. Martin Sabrow.
 

19.30-21.00

Öffentliche Podiumsdiskussion:

Ungarn 1956 und die Aufstände im Ostblock - Über die Schwierigkeiten, Revolutionen zu erinnern

Teilnehmer:

Prof. Dr. Péter Kende, 56er Institut, Budapest

Dr. Gerd Koenen, Publizist, Frankfurt/Main

Dr. Adam Krzeminski, Publizist, Warschau

Moderation:

Dr. Franziska Augstein, Süddeutsche Zeitung, München

 
 
 
 

Kleiner Empfang

 

Donnerstag, 5. Oktober 2006

 

Französische Friedrichstadtkirche

Gendarmenmarkt 5, 10117 Berlin, George-Casalis-Saal

 

Sektion I: Ungarn 1956: Kontext einer gescheiterten Revolution

 

Moderation:

Prof. Dr. Martin Sabrow, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam

 

9.00 - 10.30

Prof. Dr. János M. Rainer, Direktor des 56er Instituts, Budapest

The Historiography of the ’56 Hungarian Revolution after 1989

 

Prof. Dr. Wolfgang Eichwede, Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen

Die ungarische Revolution in der Logik des Kalten Krieges: Osteuropa in den Widersprüchen zwischen Entstalinisierung und geteilter Welt

 
 
 

10.30 - 11.00

Kaffeepause

 

Sektion II: Ungarn 1956: Medien und Aufstände

 

Moderation:

Prof. Dr. Bernd Stöver, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam

 

11.00 - 13.00

Richard Cummings, Publizist, Düsseldorf

Mirror in the Wilderness: Myths and Facts Surrounding the Role of Radio Free Europe during the 1956 Hungarian Revolution

 

Dr. Burghard Ciesla, Berlin

Ungarn 1956 in den Erinnerungen zweier Journalisten

 

Dr. Andreas Oplatka, Publizist, Zürich

Ostmitteleuropa 1989 aus der Sicht eines Korrespondenten

 
 
 
 

13.00 - 14.00

Mittagspause

 

Sektion III: Nach dem Aufstand: Repression und Flucht

 

Moderation:

Dr. Heino Nyyssönen, Universität Jyväskylä

 

14.00 - 15.30

Dr. Krisztián Ungváry,1956er Institut, Budapest

Legitimierung eines Feindbildes: 1956 und die kommunistischen Narrative der ungarischen Nachkriegsgeschichte

 

Dr. Łukasz Kamiński, Universität Wrocław

Die Reaktionen der Machthaber auf die Krisen des kommunistischen Systems in Polen, 1956-1980

 

Prof. Dr. Andrea Petõ, Central European University, Budapest

Migrant Narratives on 1956: Non-referential Stories in a Referential World

 
 
 

15.30 - 16.00

Kaffeepause

 

Moderation:

Dr. Arpád von Klimo, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam

 

16.00 - 17.30

Dr. Mariana Hausleitner, Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Die Auswirkungen der ungarischen Revolution von 1956 in Rumänien

 

Dr. Béla Rasky, Österreichisches Ost- und Südosteuropainstitut, Aussenstelle Budapest/ Dr. Patrice Poutrus, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam

Ungarische Flüchtlinge in Österreich und Deutschland

 

Dr. Kornél Zipernovszky, Collegium Hungaricum, Wien

Die Philharmonica Hungarica: Politik und Musik

 

18.00 Uhr

Ort: Botschaft der Republik Ungarn, Unter den Linden

 

Ausstellungseröffnung

S.E. Dr. Sándor Peisch, Botschafter der Republik Ungarn in Deutschland

 

Buchvorstellung (in Kooperation mit dem Ferdinand Schöningh Verlag)

Imre Nagy – vom Parteisoldaten zum Märtyrer der ungarischen Revolution 1956.

Eine politische Biographie 1896-1958

Dr. Andreas Oplatka (Zürich) im Gespräch mit dem Autor Prof. Dr. János M. Rainer (Budapest)

 

Freitag, 6. Oktober 2006

 

Französische Friedrichstadtkirche

Gendarmenmarkt 5, 10117 Berlin, George-Casalis-Saal

 

Sektion IV: Nach dem Aufstand: „Normalisierung“/Restauration

 

Moderation:

Dr. Hermann Wentker, Institut für Zeitgeschichte, München-Berlin

 

9.00 - 10.30

Dr. Jürgen Danyel, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam

Unruhe in Ost-Berlin: Die SED und der Fall Lukács

 

Dr. Oldřich Tůma, Institut für Zeitgeschichte, Prag

Die Transformation der Oppositionsbewegung in Polen, Ungarn und der ČSSR nach 1956 und 1968

 

Prof. Dr. André Steiner, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam

Die ungarische Variante der „Normalisierung“: Gulaschkommunismus als Wegbereiter des Konsumsozialismus - Ökonomische Strategien zur Stilllegung von Widerstand

 
 
 
 

10.30 - 11.00

Kaffeepause

 

Sektion V: Ungarn 56 und die europäische Linke

 

Moderation:

Dr. Thomas Großbölting, Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Berlin

 

11.00 - 13.00

Prof. Dr. Manfred Wilke, Freie Universität Berlin

Ungarn 1956 und die westdeutsche Linke

 

Dr. Ulrike Ackermann, Publizistin, Frankfurt/Main

Ungarn 1956 und die westeuropäischen Intellektuellen: Frankreich und der Kongreß für kulturelle Freiheit

 

Prof. Dr. Federigo Argentieri, John Cabot University, Rom

Ungarn 1956 und Italien

 
 
 
 

13.00 - 14.00

Mittagspause

 

Sektion VI: Bilder - Literatur - Mahnmale

 

Moderation:

Dr. Hans-Hermann Hertle, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam

 

14.00 - 15.30

Dr. Werner Schwarz, Wien Museum

Zwischen Realität und Inszenierung: Fotografische Ikonen des Ungarnaufstandes

 

Dr. György Fehéri, Collegium Hungaricum, Berlin

Ungarn 1956 in Literatur und Film

 

Dr. des. Andrea Genest, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam

Das Gedenken an die Aufstände: Mahnmale in Polen und Ungarn

 
 
 
 

15.30 - 16.00

Kaffeepause

 

16.00 – 18.00

 

Sektion VII: Wandel der Erinnerung an die Aufstandstraditionen

 

Moderation:

Prof. Dr. Bernd Faulenbach, Ruhr-Universität Bochum

 

Prof. Dr. Mária Schmidt, Direktorin des Terror Háza, Budapest

Der Umbruch 1989/90 und die Rückkehr der Erinnerung

 

Prof. Dr. Stefan Troebst, Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig

Das Jahr 1956 in der Erinnerungskultur des östlichen Europa

 
 
 
 
 

Abschlussdiskussion