„An unseren Universitäten und Hochschulen folgt eine Versammlung der anderen. Versammlungen In Budapest, Zusammenkünfte in Szeged, Konferenzen. In Pécs, - Diskussionen der Hörer der technischen Fakultät, der Philosophen, Juristen und bildenden Künstler. Die Atmosphäre dieser Jugendversammlungen ist heiß und stürmisch, sie ähnelt eher einem anschwellenden Strom als einem Bach, der in seinem künstlichen Bett dahinplätschert. Diese feurige Begeisterung ist - gut; geben wir zu, daß uns die vergangenen Jahre von solchen Massenmanifestationen entwöhnt haben! Der Sektarianismus, die stalinistischen Fehler haben in uns die Empfänglichkeit für eine mit Elementargewalt hervorbrechende Massenstimmung und Massenbewegung abgestumpft, und auch heute noch gibt es Leute, die sich nicht frei machen können von dem Gewohnten und darum mit Sorge und Mißtrauen auf die Versammlungen unserer Jugend blicken.

Unsere Partei und Ihre Zeitung, DAS FREIE VOLK, stellt sich neben die Jugend! Sie billigt diese Versammlungen und wünscht der Jugend viel Erfolg zu ihren weisen, produktiven Beratungen!

Wir wissen wohl, daß die Jugend, und innerhalb ihr unsere studentische Jugend, jahrelang von der Möglichkeit ausgeschlossen war in Angelegenheiten des Landes sowie eigenen Sachen ihre Stimme zu erheben. Wir wissen wohl, daß der DISZ (Einheitsverband der Jugend) an organisatorischen Fehlern leidet und, außer Phrasen, unserer Jugend nur wenig, wahren sozialistischen Inhalt bieten konnte. In diesen Jahren haben sich viel Bitterkeit, viel unterdrückte Sehnsucht und Emotionen in unserer Jugend aufgespeichert. Viele berechtigte Unzufriedenheit war in unseren Jugendlichen begraben, wen kann es also wundernehmen, daß nach mehr als 5 Jahren all dies mit elementarer Gewalt hervorbricht! Wer jetzt von unserer Jugend fordern will, daß sie ihrer Meinung mit Vorsicht und kühlem Maßhalten Ausdruck verleihe, vergißt die konkreten, geschichtlichen Entwicklungen und Gegebenheiten dieser Jugendbewegung; und vergißt vor allem, die seelische Beschaffenheit, der ungarischen Jugend in Betracht zu ziehen!

…Die Atmosphäre dieser Zusammenkünfte erinnert uns, alle an die Universitätsversammlungen, Hochschulberatungen in den Jahren nach 1945, und heute ist bereits jedem klar, daß jene Jahre gesunde, gute Früchte getragen haben. Doch gibt es auch Unterschiede zwischen den Versammlungen von damals und heute.. Einer dieser Unterschiede muß besonders betont werden. An den Versammlungen nach der Befreiung hat lediglich erst ein kleiner Bruchteil der Studenten als Jünger des: Sozialismus und der marxistischen Weltanschauung teilgenommen. Unmittelbar nach der Befreiung gab es an den Universitäten noch bedeutende, Kräfte der bürgerlichen Reaktion; und in den Universitätsstatistiken waren die Arbeiter- und Bauernjungen nur mit wenigen Prozenten vertreten. Inzwischen hat sich das Bild grundlegend geändert. An diesen Versammlungen nimmt die überwältigende Mehrheit der Universitätshörer teil, und zwar als Jünger des Sozialismus, bei diesen Versammlungen sind die Hörer aus der Arbeiter- und Bauernklasse nicht etwa nur mit 5 oder 10 Prozent vertreten, sondern mit einem weitaus höheren Prozentsatz, und sie nehmen teil an dem Aufbau des sozialistischen Ungarn in einer Weise, die dem Leben ihrer Väter würdig ist.

Aber es gibt noch andere Gründe, weswegen wir diese Versammlungen so warm begrüßen. Die Vertreter der sektarianistischen Politik haben nur in Worten verkündet, daß die politisierende Jugend für den Sozialismus lebenswichtig sei. In Wirklichkeit jedoch haben sie alles unternommen, um unsere studentische Jugend vom selbständigen Denken abzuhalten und ihnen die Möglichkeit zu freier Meinungsäußerung zu verbauen ...

Wir unterstützen jedoch die studentischen Versammlungen nicht nur in politischen Fragen des Landes, sondern auch die Entschlossenheit mit der unsere Universitäts- und Hochschuljugend die Reform des akademischen Unterrichts fordert... Ein Teil der studentischen Forderungen betrifft die Verbesserung der sozialen Lage. Diese Forderungen sind zumeist berechtigt, von der Mensaverpflegung bis zur Schaffung der Möglichkeit von Auslandsreisen, vom Problem der überfüllten Studentenhelme bis zur Hebung der. Anfangsgehälter. Die wirtschaftliche Lage des Landes in Betracht ziehend, muß aber gesagt werden, daß wir nicht alle Forderungen sofort oder innerhalb einer kurzen Zeitspanne erfüllen können. Wir sind nicht einverstanden mit den Androhungen von Demonstrationen, für den Fall, daß die eine oder andere Forderung wirtschaftlicher Natur nicht erfüllt würdet…

Vergeßt nie, daß unser Kampf die Förderung des sozialistischen Demokratismus zum Ziele hat! ... Seid durchdrungen von der Verantwortung, daß der konsequente Kampf gegen den Sektarianismus zugleich ein Kampf gegen die Gefahr der Restaurierung der Bourgeoisie ist ... So begrüßen wir denn die guten Bestrebungen unserer Universitäts- und Hochschulstudenten ...“

Quelle: Farkas, J.G. (Hg.), Die ungarische Revolution 1956. Rundfunk-Dokumente unter besonderer Berücksichtigung der studentischen Bewegung, München 1957, S.18ff.