Die Ansprache wurde ab 6.00 Uhr über eine Frequenz des Senders "Szabadsag" aus Szolnok bzw. aus Banska Bystrica in der Slowakei gesendet und im Laufe des Tages mehrmals wiederholt. Die Sender in Budapest standen erst am späten Abend wieder unter der Kontrolle der Regierung Kádar.
„Die Ungarische Revolutionäre Arbeiter- und Bauernregierung ist gebildet worden. Ministerpräsident ist Janos Kadar; Dr. Ferenc Münnich ist Stellvertretender Ministerpräsident sowie Minister für die Streitkräfte und für die Öffentliche Sicherheit. György Marosan ist Staatsminister, Istvan Kossa Finanzminister, Imre Horvath Außenminister, Imre Dögei Landwirtschaftsminister, Antal Apro Industrieminister und Sandor Ronai Handelsminister. Bis auf weiteres werden die übrigen Ministerien nicht besetzt. Sobald die nationale Ordnung wiederhergestellt ist, werden für die frei gewordenen Posten andere Minister - Parteimitglieder und Nichtmitglieder der Partei - ernannt, die bereit sind, die Errungenschaften des Sozialismus zu schützen. . Wir wissen, daß in unserem Land noch viele Fragen einer Lösung harren und daß uns viele Schwierigkeiten bevorstehen. Das Leben der Arbeiter ist noch lange nicht so, wie es in einem Land des sozialistischen Aufbaus sein sollte. In den vergangenen zwölf Jahren sind Fortschritte erzielt worden, doch die Rakosi-Gerö-Clique hat viele schwere Fehler begangen und die Legalität gröblich verletzt. All das erregte mit Recht die Unzufriedenheit der Werktätigen. Die Reaktionäre verfolgen jetzt ihre eigenen selbstsüchtigen Zwecke. Sie haben die Hand gegen unser volksdemokratisches Regime erhoben. Das bedeutet, daß sie die Fabriken und Konzerne den Kapitalisten und den Boden den Großgrundbesitzern zurückgeben wollen. Horthys Büttel und Gefängniswärter, die ganzen Vertreter jenes verhaßten, fluchwürdigen Unterdrückersystems haben bereits Ansätze gemacht, dem Volk den Nacken zu beugen. Wenn sie gewonnen hätten, wären nicht Freiheit, Wohlstand und Demokratie eingezogen, sondern Sklaverei, Elend, Arbeitslosigkeit und erbarmungslose neue Unterdrückung. Die reaktionären Elemente haben sich die Fehler, die beim Aufbau unseres volksdemokratischen Systems begangen wurden, zunutze gemacht und unter Hinweis auf diese Fehler viele ehrliche Arbeiter irregeführt, vor allem die Jugend, die sich der Bewegung aus anständigen, patriotischen Motiven heraus anschloß . Ungarn, Brüder, Patrioten, Soldaten und Bürger! Wir müssen den Exzessen der konterrevolutionären Elemente ein Ende setzen. Die Stunde des Handelns ist gekommen! Wir werden die Arbeiter- und Bauernmacht und die Errungenschaften der Volksdemokratie verteidigen. Wir werden Ordnung, Sicherheit und Ruhe in unserem Land schaffen. Im Interesse des Volkes und der Nation liegt es, eine starke Regierung zu haben, eine Regierung, die in der Lage ist, das Land aus seiner schweren Situation herauszuführen. Aus diesem Grund haben wir die Revolutionäre Arbeiter- und Bauernregierung gebildet . . .
Arbeiter, Bauern, Intellektuelle, Jugendliche, Soldaten und Offiziere, unterstützt den gerechten Kampf unserer Nation, schützt unser volksdemokratisches System! Entwaffnet konterrevolutionäre Banden, stellt euch hinter die Ungarische Revolutionäre Arbeiter- und Bauernregierung!
Nehmt unverzüglich die Arbeit wieder auf! Werktätige Bauern, verteidigt das Land . . . Werktätige Jugendliche und Studenten, laßt euch nicht irreführen. Nur die Volksdemokratie kann eure Zukunft sichern, daher schützt sie! Ungarische Arbeiter, die Voraussetzung für die Verwirklichung eurer berechtigten wirtschaftlichen, politischen und sozialen Bestrebungen ist die Verteidigung der volksdemokratischen Macht, die Wiederherstellung der Ordnung, die Wiederaufnahme von Arbeit und Produktion. Dafür kämpft die Ungarische Revolutionäre Arbeiter und Bauernregierung, und dafür appelliert sie an alle selbstlosen Söhne und Töchter des ungarischen Vaterlands. Arbeiter, Brüder, die Wahrheit ist auf unserer Seite. Wir werden siegen!"
Quelle: Die Volkserhebung in Ungarn. Chronologie der Ereignisse im Spiegel ungarischer Rundfunkmeldungen, in: Hinter dem Eisernen Vorhang, Jg.2, 1956, Heft 12, Free Europe Committee, München, S. 70f.