13.12 Uhr: „Achtung, Achtung! Wir richten einen Appell an die Vereinten Nationen.

Heute früh um halb 3 Uhr traten die sowjetischen Truppen zu einem allgemeinen Angriff gegen das ungarische Volk an. Wir bitten die UNO, sofort Hilfe zu schicken . . . Wir wenden uns an die Millionen der ehrlichen Welt. Helft uns, helft uns! Wir müssen unser Programm unterbrechen, wir melden uns bald wieder."

13.35 Uhr : Achtung! Achtung! Heute morgen um 2.30 Uhr richteten die sowjetischen Streitkräfte einen Generalangriff gegen das ungarische Volk. Wir bitten die Vereinten Nationen, sofort Waffenhilfe zu schicken! Setzt Fallschirmtruppen über Westungarn ab! Vielleicht werden wir unsere Sendungen bald abbrechen müssen. Schweigen werden wir aber erst, wenn man uns totgeschlagen hat . . .!"

Der gleiche Notruf wurde dann auf deutsch, italienisch, französisch und englisch durchgegeben.

15.21 Uhr: „Achtung, Achtung, Radio Freies Europa, wir bitten um sofortige Hilfe! Falls wir können, werden wir uns wieder melden. Jetzt unterbrechen wir unser Programm. Wenn es uns noch einmal möglich sein sollte, melden wir uns."

 

Freiheitssender Waitzen (Vac)

13.54 Uhr: „Wir bitten Radio Freies Europa, uns die Wellenlängen anzugeben, auf denen die anderen Freiheitssender zu empfangen sind, aber ohne die entsprechenden Ortsnamen zu nennen. Wir brauchen dringend sofortige Hilfe . Unsere Truppen kämpfen verzweifelt gegen die sowjetischen . . . Möge der Westen Ungarn helfen, damit wir in der Lage sind, die Unabhängigkeit zu verteidigen, die die Regierung Imre Nagy verkündete und die das ganze Volk unterstützt, damit wir ein neues Ungarn aufbauen können!"

 

Freiheitssender Raab

14.00 Uhr: Einem Bericht über die militärische Lage in Budapest zufolge ist der Ostbahnhof in sowjetischer Hand und steht zum größten Teil in Flammen. Die Waggonfabrik Ganz liegt unter ständigem Beschuß durch sowjetische Artillerie. Das Kraftwerk der Schiffswerft Gheorghiu-Dej wurde von den Aufständischen in die Luft gesprengt. Die Industriestadt Csepel ist in den Händen der Freiheitskämpfer und der ungarischen Armee.

14.30 Uhr: „Wir appellieren an die Nationen des Westens – SOS . . . SOS . . . das Volk verblutet! Helft uns, helft uns, rettet unsere Seelen!"

15.00 Uhr: Im Namen der ungarischen Soldaten verkünden wir, daß sie niemals die Waffen niederlegen werden . . .!"

 

Freiheitssender Csokonai 70

14.32 Uhr: „Achtung, Radio Freies Europa, Achtung! Wir erbitten umgehende Nachricht. Kommt Hilfe aus dem Westen? . . . Achtung, Achtung, hier spricht der Freiheitssender Csokonai. Wir bitten Radio Freies Europa, uns mitzuteilen, ob vom Westen schon Hilfe abgegangen ist.“

16.20 Uhr: Wir bitten Radio Freies Europa, sofort folgende Botschaft an den Generalsekretär der Vereinten Nationen zu übermitteln: „Appell an den Generalsekretär der UN! Wir sprechen zu Ihnen im Namen des gesamten ungarischen Volkes. Zum zweitenmal in zwei Wochen greifen sowjetische Truppen unser Land an. Sie haben es ohne Rücksicht auf unser Volk und unsere nationalen Werte in ein Schlachtfeld verwandelt. Das erste Mal mischten sie sich auf Ansuchen einer volksfremden Regierung in unsere inneren Angelegenheiten ein. Das ungarische Volk hat die damalige Intervention mit der Waffe in der Hand energisch und unmißverständlich abgeschlagen. Durch unseren Kampf ermöglichten wir es Imre Nagy, als Ministerpräsident die Geschicke des Landes zu leiten. Er proklamierte den höchsten Wunsch des ungarischen Volkes nach Neutralität und Unabhängigkeit. Danach folgte das ganze ungarische Volk Imre Nagy und steht noch hinter ihm. Wenn wir uns der Neutralität auch nur zwei Tage lang erfreuten, so erwarten wir doch, daß die ganze Welt sie respektiert. Unsere Regierung hat den Warschauer Pakt aufgekündigt und Verhandlungen wegen des Abzugs der sowjetischen Truppen aufgenommen. Wir klagen die Sowjetunion an

1 . der bewaffneten Aggression von außen,

2. der Verhaftung des Verteidigungsministers Maleter und seines Stabes, die als Parlamentäre zu Verhandlungen über den Abzug der Roten Armee, in das sowjetische Hauptquartier gekommen waren .

Die gesetzmäßige ungarische Regierung, die von Imre Nagy geführte, ist gefangengesetzt worden . Da sie das einzige Organ war, durch das die Haltung der ungarischen Nation ihren Ausdruck fand, bitten wir im Namen unseres Landes, daß die Vereinten Nationen alle Mittel anwenden, um eine bindende Resolution zu verabschieden, durch welche die Freiheit wiederhergestellt und geschützt wird, die wir bereits errungen hatten . An die Delegierten der Mitgliedsstaaten der UN senden wir die nachfolgende Botschaft:

In den nächsten Stunden werdet ihr über Tod und Leben unserer Nation entscheiden. Während eure Söhne in Frieden und Glück leben, fallen wir Söhne der ungarischen Nation unter dem erbarmungslosen Feuer der sowjetischen Panzer und Bomben. Unser Land wurde von außen her angegriffen. Wir wenden uns an euch, denn ihr seid unsere letzte Hoffnung! Nützt die Gelegenheit, die euch durch eine Fügung der Geschichte gegeben ist, um uns vor der Zerstörung und der Sklaverei zu retten! Wir bitten um sofortige und wirksame Hilfe, die uns vor weiterem Blutvergießen bewahrt und unsere Unabhängigkeit wiederherstellt. Zeigt, dass die Vereinten Nationen ihren Willen durchsetzen können, und ermöglicht es durch eure Resolution, daß unser Land wieder frei sein kann! Wir appellieren an euer Gewissen und rufen euch an, sofort zu handeln.“

Quelle: Die Volkserhebung in Ungarn. Chronologie der Ereignisse im Spiegel ungarischer Rundfunkmeldungen, in: Hinter dem Eisernen Vorhang, Jg.2, 1956, Heft 12, Free Europe Committee, München, S.72f.