Jugoslawiens widersprüchliche Haltung zur ungarischen Revolution war geprägt vom außenpolitischen Kalkül Titos, als kommunistischer Staat eine neutrale Stellung zwischen dem Warschauer Pakt und dem Westen einzunehmen. Diese Neutralität behauptete Jugoslawien durch ein geschicktes Lavieren zwischen den Blöcken; so auch im Falle der ungarischen Revolution. Insofern der Aufstand in Ungarn das Programm eines nationalen Kommunismus vertrat, gab es ideologische Berührungspunkte: Jugoslawische Journalisten und Diplomaten reisten nach Ungarn und unterstützen die Aufständischen, so dass in Moskau zeitweise die Ungarische Revolution sogar auf ideologischen „Ansteckung“ durch den jugoslawischen Kommunismus zurückgeführt wurde. Mit der gewaltsamen Eskalation in Ungarn fürchtete Tito jedoch zunehmend, dass der Aufstand auf Jugoslawien übergreifen und seine eigene Herrschaft gefährden konnte, da die – zunächst von Tito geförderte − antisowjetische Haltung in Ungarn sich in eine generell anti-kommunistische Richtung entwickelte. Am 31. Oktober vollzogen die offiziellen jugoslawischen Zeitungen eine Kehrtwende und wandten sich fortan gegen Nagy.

Trotzdem wurde Imre Nagy am 4. November durch den jugoslawischen Botschafter Soldatić über den Beginn der sowjetischen Intervention informiert und − wie wenige Tage zuvor verabredet − in die Botschaft eingeladen. Durch das politische Asyl für Nagy, seine wichtigsten Mitstreiter und deren Familien stand Jugoslawien in der internationalen Presse in dem Ruf, das Völkerrecht gegen die sowjetische Aggression verteidigt zu haben. Obwohl Moskau zunehmend auf die Auslieferung Nagys drängte, konnte Jugoslawien mit Rücksicht auf sein internationales Ansehen dem nicht nachgeben. Erst nachdem Moskau der jugoslawischen Regierung garantiert hatte, das politische Asyl Nagys und der übrigen Flüchtlinge auch außerhalb des Geländes der Botschaft zu respektieren, legte Jugoslawien am 22. November das Schicksal des ehemaligen ungarischen Ministerpräsidenten und seines Umfeldes in die Hände der von Moskau eingesetzten Nachfolgeregierung Kádár. Diese Übereinkunft wurde von Kádár bzw. den Sowjets noch am selben Tag gebrochen, Nagy und ein Teil der übrigen Flüchtlinge nach Rumänien verschleppt. Durch den offenen Bruch der Vereinbarung war das Verhältnis Jugoslawiens zur Sowjetunion und zu Ungarn erneut auf Jahre schwer belastet. 
 

Quelle: Johanna Granville, Tito and the Nagy Affair 1956. In: East European Quaterly 23/1998, Heft 1, S. 23-55.