(Nagy antwortet auf Deutsch)

„Frage: Kann Ungarn ein Einzelfall sein?

Antwort: Mir scheint, ja. Wie das im Warschauer Pakt vorgeschrieben ist, weiß ich nicht genau, aber unabhängig davon wird wahrscheinlich bald, also ziemlich rasch diese Frage endgültig geklärt.

Frage: Herr Ministerpräsident, darf ich etwas fragen? Wie steht es jetzt mit dem Warschauer Pakt. Gehört Ungarn ihm an oder nicht?

Antwort: Vorläufig sind wir drinnen.

Frage: Wollen Sie aus dem Warschauer Pakt austreten, will Ungarn aus dem Warschauer Pakt austreten?

Antwort: Wir haben heute die Verhandlungen begonnen.

Frage: Herr Ministerpräsident, es gilt jetzt, Ungarn wirtschaftlich wiederaufzubauen. Werden Sie sich an die Westmächte um eine Unterstützung, eine wirtschaftliche Unterstützung für den Aufbau Ungarns wenden?

Antwort: Mir scheint, wir müssen uns auf alle jene wirtschaftlichen Möglichkeiten stützen, die uns aus dieser Lage ein wenig herausbringen können.

Frage: Bedeutet es weiter, daß Sie die Deutsche Demokratische Republik anerkennen?

Antwort: Mir scheint, ja.

Frage : Auch in Zukunft?

Antwort: Das scheint mir vorläufig nicht zur Frage zu stehen. Wir möchten in unserer Außenpolitik nicht nur in einer Richtung, sondern überhaupt Beziehungen, gute und freundschaftliche Beziehungen, aufrechterhalten.

Frage : Auch Beziehungen zur Bundesrepublik?

Antwort: Vorläufig haben wir hier keine, mir scheint, dass diese Frage auch behandelt werden muß, und wir werden danach entscheiden müssen.

Frage: Nach dem Abkommen, das Sie bereits getroffen haben, ziehen sich die sowjetischen Truppen auf ihre ursprünglichen Stützpunkte in Ungarn zurück. Ist das richtig?

Antwort: Die in Budapest waren? Mir scheint, die aus Budapest sind vorläufig schon raus und sind auf ihre Basis zurückgekehrt.

Frage: Es sind einige da, die aus anderen Staaten über die Grenze nach Ungarn gekommen sind, die gehen wohl zurück?

Antwort: Mir scheint, ja, woher sie gekommen sind, soweit sie nicht aus ungarischen Stützpunkten kamen, das weiß ich nicht, aber sie werden zurückgehen dorthin, woher sie gekommen sind.

Frage: Sie sagten soeben, Herr Ministerpräsident, daß Sie unter Druck gesetzt worden waren, um die russischen Truppen hereinzubringen, daß Sie es nicht waren, der die russischen Truppen nach Budapest eingeladen hat. Wer denn hat sie eingeladen?

Antwort: Ich nicht, das kann ich ruhig sagen, denn damals war ich überhaupt nicht Ministerpräsident. Ich war kein Mitglied des Zentralkomitees der Partei.

Frage: Aber wie entstand die Meinung, daß Sie die Truppen gerufen hätten?

Antwort: Das weiß ich nicht, damals war ich überhaupt nicht drin in der Führung. Vielleicht deshalb ist der Eindruck so falsch, weil man von der Regierung gesprochen hat, und zwei, drei Tage später war ich schon Ministerpräsident. Die Massen können keinen Unterschied machen zwischen zwei Tagen zuvor oder jetzt...

Frage: Ich glaube, Herr Ministerpräsident, Sie haben nachträglich die Einladung der russischen Truppen gutgeheißen?

Antwort : Nein.

Frage: Haben Sie gesagt, daß sie zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung notwendig waren?

Antwort: Nein, nein, nein, so etwas sagte ich nicht...

Eine abschließende Frage noch: Welches werden jetzt die ersten Maßnahmen der Regierung sein, können Sie uns darüber einen kurzen Überblick geben?

Antwort: Wir haben sehr schwere wirtschaftliche Probleme, Sie verstehen, und die wichtigste ist, die Ordnung wiederherzustellen und das wirtschaftliche Leben wieder in Gang zu bringen. Das ist das Wichtigste…"

Quelle: Die Volkserhebung in Ungarn. Chronologie der Ereignisse im Spiegel ungarischer Rundfunkmeldungen, in: Hinter dem Eisernen Vorhang, Jg.2, 1956, Heft 12, Free Europe Committee, München, S.48