Artikel im Neuen Deutschland vom 4.03.1956 (Auszug)
"Im Rechenschaftsbericht des ZK berichtete Genosse N. S. Chruschtschow auch über die Festigung der Reihen der Kommunistischen Partei und die Stärkung der ihrer führenden Rolle im Sowjetstaat. Diese Einheit der Kommunistischen Partei bildete sich in Jahren und Jahrzehnten des Kampfes heraus und wuchs und erstarkte im Kampf gegen solche Feinde wie die Trotzkisten, Bucharinleute und bürgerliche Nationalisten. Genosse Chruschtschow hob hervor, daß der führende Kern der Partei keine durch persönliche Beziehungen oder gegenseitige Vorteile verbundene Gruppe von Menschen ist, sondern, wie Lenin lehrte, ein tätiges Kollektiv leitender Genossen, deren Beziehungen auf prinzipieller ideologischer Grundlage beruhen, die weder gegenseitige Rücksichtsnahme noch persönliche Feindschaft zuläßt.
Auf den Plenartagungen des Zentralkomitees der KPdSU wurde die Tätigkeit mancher Parteiorganisationen und Mitglieder, darunter auch die Tätigkeit von Mitgliedern des Zentralkomitees, einer Kritik ohne Ansehen der Person unterzogen. Genosse Chruschtschow wies darauf hin, dass es viele Mängel nicht gäbe, wenn nicht seinerzeit in einzelnen Teilen der Partei Stimmungen der Selbstzufriedenheit verbreitet worden wären. Deshalb sei ein entschlossener Kampf gegen Schönfärberei und Prahlerei zu führen.
Im Rechenschaftsbericht des ZK wurde erklärt, daß früher häufig gegen die Leninschen Normen des Parteilebens verstoßen wurde. Erstrangige Bedeutung habe die Wiederherstellung und gründliche Verankerung des Leninschen Prinzips der Kollektivität der Leitung. Das Zentralkomitee nahm den Kampf auf gegen den Persönlichkeitskult, der dem Geiste des Marxismus-Leninismus fremd ist. Offenkundig meinte Genosse N. S. Chruschtschow damit auch solche Selbstbeweihräucherungen und Entstellungen der Parteigeschichte, wie sie in der Stalin-Biographie zu lesen sind. Er sagte: „Die Verbreitung des Persönlichkeitskultes setzte die Rolle der kollektiven Führung in der Partei herab und führte zuweilen zu ernsten Versäumnissen in unserer Arbeit.“
Die Gegner haben sich bemüht, an diese Äußerungen des Genossen Chruschtschow, der Mitglieder des Präsidiums der KPdSU und verschiedener Diskussionsredner allerhand Spekulationen zu knüpfen. Sie kommen damit viel zu spät. Das Zentralkomitee der KPdSU hat bereits in den letzten Jahren entschieden den Kampf um die Wiederherstellung der Leninschen Normen des Parteilebens geführt und hat das bereits in weitgehendem Maße erreicht. Das Zentralkomitee der KPdSU hat bestimmte theoretische Fehler, wie sie zum Beispiel in Stalins Schrift „Ökonomische Probleme des Sozialismus“ enthalten sind, korrigiert. Es wurde auch die von Stalin vertretene Auffassung korrigiert, daß sich mit den fortschreitenden Erfolgen des sozialistischen Aufbaus in der Sowjetunion der Klassenkampf verschärfe. Wenn Lenin gelehrt hat, daß die Anwendung von Gewalt von der Notwendigkeit hervorgerufen wird, den Widerstand de Ausbeuterklassen zu unterdrücken, so bezieht sich das auf die Periode, wo die Ausbeuterklassen in Sowjetrußland noch stark waren. Als jedoch die soziale und politische Grundlage der alten kapitalistischen Klassenkräfte beseitigt war, änderte Lenin sofort die Methoden.
Wenn man von Genossen gefragt wird, „ob Stalin zu den Klassikern des Marxismus gehört“, kann man darauf nur antworten: Zweifellos hat Stalin nach dem Tode Lenins bedeutende Verdienste beim Aufbau des Sozialismus und im Kampf gegen die parteifeindlichen Gruppierungen der Trotzkisten, Bucharinleute und bürgerlichen Nationalisten. Als sich Stalin jedoch später über die Partei stellte und den Personenkult pflegte, erwuchsen der KPdSU und dem Sowjetstaat daraus bedeutende Schäden. Zu den Klassikern des Marxismus kann man Stalin nicht rechnen.
Indem der Parteitag der KPdSU auch solche unangenehmen Fragen wie die zeitweise Herrschaft des Personenkultes offen behandelte, bekundete er den Willen, mit aller Konsequenz die Leninschen Normen des Parteilebens durchzuführen und alle Auswüchse, die sich aus dem Personenkult ergeben haben, zu beseitigen. Der Parteitag war erfüllt von dem Willen, den Personenkult nicht nur auszumerzen, sondern auch alle und jegliche Versuche, ihn in dieser oder jener Form wiedererstehen zu lassen, schonungslos zu bekämpfen. Zur Verhinderung des Personenkultes ist es notwendig, in der ganzen ideologischen Arbeit die wichtigsten Lehrsätze des Marxismus-Leninismus über das Volk als den Schöpfer der Geschichte, als den Schöpfer aller materiellen und geistigen Reichtümer der Menschheit und über die entscheidende Rolle der marxistischen Partei im Kampf für die Umgestaltung der Gesellschaft, für den Sieg des Kommunismus, hervorzuheben.
In bezug auf die parteiorganisatorische Arbeit erklärte Genosse N. S. Chruschtschow, daß viele Jahre lang die Parteikader nicht genügend im Geiste der hohen Verantwortlichkeit für die Lösung der praktischen Fragen des wirtschaftlichen Aufbaus erzogen wurden, was zur Verbreitung bürokratischer Methoden der Wirtschaftsführung führte. Er kritisierte, daß es in der Tätigkeit des Parteiapparates noch immer viel Formalismus gebe, daß noch nicht genügend mit den Menschen gearbeitet werde. Genosse Chruschtschow forderte, daß sich die Parteikader den konkreten Aufgaben der Wirtschaft zuwenden und die lebendige Arbeit nicht durch Schreibereien ersetzen. Er meinte, auch der Parteiapparat sei noch zu schwerfällig. Die Funktionäre des Parteiapparates sollten täglich mitten unter den Massen sein. Sie sollten die fortgeschrittenen Arbeitsmethoden der Industrie und Landwirtschaft kennen und für die weiteste Verbreitung der Neuerer-Erfahrung sorgen. Es wurde kritisiert, daß das Niveau der Arbeit der Kreisorganisationen bei weitem nicht den gegenwärtigen Anforderungen entspricht. Deshalb sei die Stärkung der Kreisorganisationen durch erfahrene tüchtige Kader von vordringlicher Bedeutung.
Ein Hindernis für die Erfüllung der Parteiaufgaben ist die oft ungenügende Verbindung der ideologischen Arbeit mit der Praxis des kommunistischen Aufbaus. N.S. Chruschtschow forderte:
„Der ganzen Propaganda muß die politische Erfahrung des wirtschaftlichen Aufbaus zugrunde gelegt werden. Das ist unsere Hauptaufgabe… Unsere politische Hauptaufgabe muß heute der wirtschaftliche Aufbau des Staates sein.“
Was Genosse Chruschtschow im weiteren über die Arbeit der Propagandisten und Agitatoren sagte, das können wir im wesentlichen auf die Arbeit in unserer Partei beziehen. Deswegen sollte jeder Agitator und Propagandist das gründlich lesen.
N. S. Chruschtschow schloß den Rechenschaftsbericht des ZK mit den Worten:
„Unsere Sache unbesiegbar, sie ist unbesiegbar, weil zusammen mit dem großen Sowjetvolk viele hundert Millionen Menschen im chinesischen Brudervolk und in allen Ländern der Volksdemokratie diese Sache voranbringen. Sie ist unbesiegbar, weil sie die glühende Unterstützung und Sympathie der Völker der Länder besitzt, die sich von nationaler und kolonialer Unterdrückung befreit haben. Sie ist unbesiegbar, weil sie von den Werktätigen der ganzen Welt unterstützt wird. Keiner kann uns einschüchtern, zur Aufgabe unserer Positionen, zum Verzicht auf die Verteidigung des Friedens, der Demokratie und des Sozialismus zwingen.“
Der XX. Parteitag der KPdSU war erfüllt vom Geiste der internationalen Solidarität. Noch nie war die Sympathie für die Sowjetunion in der ganzen Welt so stark wie gegenwärtig. Die Friedenspolitik der Sowjetunion ist bis in die entferntesten Länder. Mit großer Begeisterung wurde vom Parteitag die Rede des Vertreters des heroischen chinesischen Volkes, Marschall Tschu Teh, entgegengenommen, der schilderte, wie das chinesische Volk kühn den Sozialismus aufbaut und Schulter an Schulter mit der Sowjetunion den Kampf um seinen dauerhaften Frieden führt. Ebenso bekundeten die übrigen Völker der Staaten des sozialistischen Lagers ihre enge Verbundenheit mit der KPdSU und den Völkern der UdSSR. Die Freundschaft und Solidarität von Millionen Arbeitern und Bauern der kapitalistischen Länder und der unterdrückten Völker der Kolonien kamen zum Ausdruck in den Begrüßungsansprachen der Vertreter der Bruderparteien aus 55 Ländern der Erde. Dazu kommen die schriftlichen Begrüßungen, wie z. B. aus den USA, deren Kommunistischer Partei es wegen der dort herrschenden „Freiheit“ nicht möglich war, der Einladung zum Parteitag zu folgen. Die Vertreter der kommunistischen und Arbeiterparteien Italiens, Frankreichs, Großbritanniens , Indiens, der Staaten des Nahen Ostens, Nordafrikas, Südamerikas, der skandinavischen Länder und andere begrüßten die Vorschläge Chruschtschows für die Einigung der Arbeiter und die konsequente Weiterführung der Politik des Friedens und der Völkerfreundschaft.
Die Begrüßungsansprachen zeigten, daß die kommunistischen und Arbeiterparteien eine Politik entwickelt haben, die den konkreten Entwicklungsbedingungen in dem betreffenden Land entspricht, und daß sie sich dabei von den grundlegenden Richtlinien der Lehre des Marxismus-Leninismus leiten lassen. Diese Lehre hat schon in zahlreichen Staaten, die ein Drittel des Erdballs umfassen, gesiegt und sie wird weitere Erfolg erzielen, es ist die Lehre von der Befreiung der Menschheit und der Erringung von gesichertem Glück und Wohlstand der Völker.
Der XX. Parteitag der KPdSU hat in unserer Partei und in der Öffentlichkeit ein solches Interesse hervorgerufen, daß bereits begonnen wurde, in Versammlungen und Beratungen Stellung zu nehmen und über die Lehren des XX. Parteitages für unsere eigene Arbeit gründlich nachzudenken. Die Zirkel des Parteilehrjahrs haben bereits mit der Durcharbeitung des Rechenschaftsberichtes begonnen und werden im wesentlichen die Beschlüsse bis zur 3. Parteikonferenz durcharbeiten. Es haben auch schon Versammlungen der Intelligenz in Betrieben und Hochschulen stattgefunden, in denen sehr interessante Diskussionen geführt wurden, die zu sachlichen Vorschlägen für die Verbesserung der eigenen Arbeit führten. Auch die Parteiorganisationen in den Hauptverwaltungen der Ministerien und die Parteiorganisationen in anderen staatlichen Organen werden sich mit den Beschlüssen und mit vielen Anregungen, die der Rechenschaftsbericht, der Bericht über den sechsten Fünfjahresplan und die Reden der Diskussionsredner gegeben haben, beschäftigen. Für die Tätigkeit der Agitatoren und Propagandisten sind auf diesem Parteitag so viele Anregungen für die Verbesserung der Arbeit gegeben worden, daß es notwendig sein wird, die Agitatoren- und Propagandistenaktivs besonders zusammenzurufen. Besondere Aufmerksamkeit war auf dem Parteitag den ökonomischen Wissenschaften gewidmet worden, aber auch der Geschichtswissenschaft. Eine breite Diskussion über diese Fragen kann nur von Nutzen sein.
Es kommt darauf an, die wichtigen Lehren, die der XX. Parteitag gegeben hat, soweit sie auf unsere Verhältnisse anwendbar sind, bei der Vorbereitung unserer 3. Parteikonferenz gründlich auszuwerten."